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Universität zu Köln  

  Erdbebenstation Bensberg
 















Zum 250. Jahrestag des Dürener Erdbebens

Mozart war gerade drei Wochen alt als sich vor 250 Jahren, am 18. Februar 1756, das bisher stärkste historisch belegte Erdbeben im deutschen Teil der Niederrheinischen Bucht ereignete. Gegen 8:00 Uhr Ortszeit wurden im Bereich Köln-Aachen-Jülich-Münstereifel zahlreiche Gebäude schwer beschädigt. Vereinzelte leichte Gebäudeschäden gab es noch bis Brüssel, Gießen und Osnabrück. Das sogenannte Schüttergebiet, das ist der Bereich in dem ein Beben gespürt wird, reichte von London bis Magdeburg und Straßburg.

Es war nicht das erste Beben in der Zeit des Jahreswechsels von 1755 auf 1756. Bereits am 27. Dezember 1755 hatte ein kräftiges Beben die Gegend von Düren erschüttert. Nach einigen Vorbeben am Vortag bebte die Erde gegen 0:30 Uhr so stark, dass es zwischen Aachen, Eschweiler und Düren zu mittelschweren Gebäudeschäden kam. Die historischen Quellen beschreiben Giebeleinstürze, Mauerwerksrisse und das Abbrechen zahlreicher Schornsteine. Gespürt wurde das Beben noch bis in gut 200 km Entfernung. Auch nach den Beben an und um Weihnachten 1755 kam die Erde nicht zur Ruhe. Bis zum starken Beben am 18. Februar 1756 ereignete sich eine ganze Serie von deutlich spürbaren Erdbeben. Höhepunkt der Serie war dann das Beben am 18. Februar 1756.

Die Folgen des Bebens von 1756
Die historischen Quellen zu den Ereignissen der Jahre 1755/56 wurden 1995 in einer Dissertation an der Abteilung Erdbebengeologie der Universität zu Köln im Detail aufgearbeitet. Danach ist davon auszugehen, dass in Aachen mindestens eine Person durch herabfallende Trümmer erschlagen wurde. Gravierende Folgen hatten die Erschütterungen in Eschweiler, wo nahezu alle Schornsteine einstürzten. Die Pfarrkirche wurde so stark beschädigt, dass man in der Folgezeit mit dem Gottesdienst in ein Notzelt ausweichen mußte. Ein Gedenkstein am Turm der katholischen Kirche in Eschweiler erinnert noch heute an das Beben (Abbildung 1). 

Abbildung 1 (links): Gedenkstein der katholischen Kirche Eschweiler Abbildung 1 (rechts): Inschrift des Gedenksteins

Abbildung 1: Gedenkstein am Turm der katholischen Kirche in Eschweiler zum Erdbeben am 18. Februar 1756. (Hier Abguß an der Erdbebenstation Bensberg der Universität zu Köln). Die rechte Seite gibt die Übertragung des teils in Latein und teils in Deutsch verfaßten Textes. Im Originaltext sind die Buchstaben C, D, I, L, M und V größer geschrieben als andere. Sie ergeben mehrfach die Jahreszahl MDCCLVI (1756).(Foto K.-G. Hinzen)


Auch in Nideggen kam es zu schweren Bauwerksschäden; die Burg von Nideggen wurde so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass die Bewohner sie verlassen mußten. Bei Hürtgen wurde ein größerer Erdrutsch ausgelöst und in Düren selbst brachen ca. 300 Schornsteine ab, die Kirche wurde stark in Mitleidenschaft gezogen und es kam zu zahlreichen Mauerrissen. Auch in Jülich, Aachen und Kornelimünster wurden zahlreiche Bauwerke beschädigt. Selbst in Köln und Lüttich wurden einige Schornsteine beschädigt. Abbildung 2 zeigt eine Karte in der die Orte aus denen schriftliche Berichte vorliegen durch Kreise gekennzeichnet sind. Man kann davon ausgehen, dass das Erdbeben im Gebiet innerhalb der blauen Linie gespürt werden konnte. Im Bereich innerhalb der roten Linie gab es zahlreiche Gebäudeschäden.

Im Zentrum der Erschütterungen wurde eine Erschütterungsstärke von 8 nach der 12-teiligen MSK-Intensitätsskala erreicht. Das bedeutet, Personen haben während des Bebens Probleme aufrecht stehen zu bleiben, nicht nur in Gebäuden, auch im freien Gelände, Möbelstücke fallen um, Objekte wie Fernseher (die es natürlich noch nicht gab) fallen zu Boden, manche Grabsteine werden verschoben und mitunter sind in weichem Boden Wellen zu beobachten. Gebäude von schlechterer Bausubstanz tragen schwere Schäden davon bis hin zum teilweisen Zusammenbruch, aber auch moderne Stahlbetonbauten können noch leichte Risse davontragen.

Abbildung 2: Karte des Gebietes in dem das Erdbeben gespuert wurde

Abbildung 2: Verteilung der schriftlich überlieferten Hinweise auf das Erdbeben bei Düren am 18. Februar 1756. Die kleinen Kreise zeigen Orte aus denen Berichte vorliegen. Innerhalb des blau markierten Bereiches war das Erdbeben spürbar und innerhalb des rot markierten Bereiches kam es zu Gebäudeschäden.


Was wären die Folgen heute bei einem gleich starken Beben?

Die Folgen eines Erdbebens hängen nicht nur von der Art und Stärke des Erdbebens selbst ab, sondern in hohem Maße auch von der Bebauung im Bereich der stärksten Erschütterungen. Die Tatsache, dass die weltweiten Folgen von Erdbeben in den letzten Jahrzehnten immer gravierender geworden sind, liegt nicht daran, dass Erdbeben in ihrer Zahl oder Stärke gegenüber früheren Zeiten zugenommen haben. Die Bevölkerungszunahme und der damit immens gestiegene Baubestand sowie die Ausweitung der Industrialisierung sind die eigentliche Ursache. Bei starken Beben in entwickelten Ländern, zum Beispiel Kalifornien oder Taiwan, sind die Personenschäden meist verhältnismäßig gering, was an der immer besser angepaßten Bauweise liegt, die ökonomischen Schäden nehmen aber rasant zu. 

Würde sich ein etwa gleich starkes Erdbeben wie das von 1756 heute an gleicher Stelle ereignen, so wären die Auswirkungen in der Summe natürlich deutlich gravierender als vor 250 Jahren. Allein im deutschen Teil des Gebietes, das von Gebäudeschäden betroffen war (rote Linie in Abb. 2), leben heute ca. 4.8 Millionen Menschen bei einer mittleren Bevölkerungsdichte von fast 700 Einwohnern pro Quadratkilometer. Köln zum Beispiel hatte 1750 weniger als 50000 Einwohner also rundweg ein Zwanzigstel der heutigen Bevölkerung. 

Das Bauen in den Erdbebenregionen der Bundesrepublik Deutschland wird heute im Wesentlichen in der DIN4149 mit dem Titel Bauten in deutschen Erdbebengebieten geregelt. Diese auch in NRW verbindliche Bauvorschrift ist gerade im vergangenen Jahr in einer völlig neu überarbeiteten Fassung erschienen. Wie auch in anderen Erdbebenregionen der Welt üblich berücksichtigt diese Baunorm ein ganz bestimmtes Gefährdungsniveau. Und zwar werden hier Beben berücksichtigt, wie sie im Mittel etwa alle 500 Jahre einmal erwartet werden. Ein Erdbeben in der Art des Dürener Ereignisses ist durch diese Baunorm abgedeckt. Heißt das nun, dass dann gar keine Erdbebenschäden entstehen können? Nein! Zum einen sind bei Weitem nicht alle Gebäude in der Region nach dieser modernen Fassung der Baunorm ausgelegt. Die erste deutsche Erdbebenbaunorm erschien 1959 als Reaktion auf das Erdbeben von Euskirchen im Jahre 1951. Außerdem ist das erklärte Ziel der Norm im Falle eines Erdbebens menschliches Leben zu schützen, Schäden zu begrenzen und sicherzustellen, dass für die öffentliche Sicherheit und Infrastruktur wichtige bauliche Anlagen funktionstüchtig bleiben. Mit anderen Worten es soll verhindert werden, dass Bauten strukturelle Schäden nehmen, also es soll nichts abbrechen und herunterfallen was Personen gefährdet. Kleine Schäden, wie Verputzrisse etc. toleriert die Norm durchaus. 

Generell gilt in allen Erdbebenregionen der Welt: je stärker die Beben sind, desto seltener sind sie. In Baunormen muß man sich auf ein bestimmtes Gefährdungsniveau festlegen. Allgemein üblich ist, dass in Normen Bodenbewegungen berücksichtigt werden, die durch Beben entstehen wie sie im Mittel einmal in (ca.) 500 Jahren auftreten. Bodenbewegungen durch seltenere Beben, die deutlich stärker sein können als bei den ‚500 Jahre-Beben’, gehören also zum Restrisiko. 

Dieses kann ein Problem in Regionen mit einer mäßigen seismischen Aktivität, wie hier im Rheinland sein. An aktiven Plattengrenzen mit sehr hoher Aktivität, wie zum Beispiel Kalifornien, Japan oder auch dem Mittelmeerraum, kann man davon ausgehen, dass in einem halben Jahrtausend auch Beben passieren, die in Ihrer Stärke nahe bei dem liegen, was tektonisch überhaupt möglich ist. Das heißt hier werden die Bodenbewegungen dieser starken Beben in Baunormen, die auf dem ‚500 Jahre-Beben’ basieren, abgedeckt. In den sogenannten Intraplattenregionen wie der Niederrheinischen Bucht, ereignen sich starke Beben aber nur alle paar tausend Jahre einmal und die von Ihnen erzeugten Bodenbewegungen bleiben damit in den Baunormen möglicherweise unberücksichtigt. 

Das sogenannte Dürener Erdbeben von 1756 ist zwar das stärkste historisch belegte Beben im deutschen Teil der Niederrheinischen Bucht, aber Forschungsarbeiten der vergangen 10 Jahre haben gezeigt, dass es durchaus auch stärkere Erdbeben in der Region gegeben hat. Das ebenfalls historisch nachgewiesene Beben mit Zentrum beim belgischen Verviers im Jahre 1692 war stärker als das Dürener Erdbeben. Es hat in Kent, im Süden Englands noch Schäden verursacht. Noch stärker aber waren Erdbeben, über die zwar wegen ihres Alters keine schriftlichen Zeugnisse vorliegen, die aber so stark waren, dass sie zu Verschiebungen der Erdoberfläche geführt haben, die heute noch nachgewiesen werden können. Bei Bree, ca. 40 km nordwestlich von Aachen, haben in den letzten 50.000 Jahren mehrere Beben stattgefunden, die um etwa eine Magnitude stärker waren als das Dürener Beben. 

Bin ich gegen Erdbebenschäden versichert?
Eine ‚normale’ Gebäudeversicherung deckt in der Regel Erdbebenschäden nicht ab. Viele Versicherungsgesellschaften bieten spezielle Elementarschadenversicherungen an, die meist kombiniert mehrere Naturgefahren abdecken. Ausführlichere Informationen finden sich auf der Internetseite der Deutsche Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik unter der Rubrik Erdbeben und Versicherung.

Was kann man zur Erdbebenvorsorge tun?
Wichtig ist eine nüchterne Betrachtung des Phänomens Erdbeben und seiner möglichen Folgen. Panikmache und Horrorszenarien sind kontraproduktiv. Aber die lokalen extremen Winterwetterfolgen der letzten Monate, Stromausfall durch gerissene Überlandleitungen, Einsturz von Flachdächern, haben auch gezeigt, dass seltene Ereignisse, die in Normen nicht berücksichtigt sind, zwar selten sind, aber auch nur selten und eben nicht unmöglich. Gleiches gilt auch für die Erdbebengefährdung.

Die seismische Überwachung einer Region mittels moderner Meßinstrumente ist neben der Erforschung historischer Quellen über Erdbeben und Paläo- und Archäoseismologischer Untersuchungen eine wichtige Grundlage für die Erdbebenvorsorge. Mit empfindlichen, manchmal auch als Mikroseismischen-Stationen bezeichneten Geräten werden kleine Beben, mitunter bis in den Bereich negativer Magnituden erfaßt. Bei starken Beben allerdings ist der Einsatz spezieller Meßgeräte erforderlich. Derzeit wird von der Abteilung Erdbebengeologie der Universität zu Köln in der Niederrheinischen Bucht ein neues modernes Meßnetz (SeFoNiB) von mehr als 20 Stationen installiert, die so konstruiert sind, dass sie im Falle kräftiger Beben, insbesondere solcher mit Bauwerksschäden, unverzerrte Aufzeichnungen der Bodenbewegung liefern. Diese im Fachjargon als strong-motion Stationen bezeichneten Geräte sind unerläßlich, um die Berechnung von Erdbebengefährdungsszenarien auf konkrete Daten aus der Region basieren zu können. Bislang existieren solche Daten für das Rheinland nicht und bei Rechnungen kann man nur von Annahmen ausgehen, die aber zwangsläufig zu starken Unsicherheiten in der Gefährdungsaussage führen. 

Im Rahmen einer Dissertation an der Erdbebenstation Bensberg wurde der Einfluß der Lockersedimente auf Erschütterungen bei Erdbeben im südlichen Teil der Niederrheinischen Bucht untersucht. Diese Lockergesteine können bei Erdbeben ‚wackelpudding-artig’ reagieren und die Bodenbewegungen in ungünstigen Fällen deutlich verstärken. 

Abbildung 3 zeigt die Lage der bekannten Erdbeben aus dem Katalog der Abteilung Erdbebengeologie der Universität zu Köln für die Zeit zwischen 1600 und 2004. Die Größe der Kreise variiert mit der Stärke der Beben und die Farbe gibt den Zeitraum an in dem sich die Beben ereignet haben. 

Abbildung 3: Karte mit Verteilung der Erdbeben in den noerdl. Rheinlanden

Abbildung 3: Verteilung der bekannten Erdbeben zwischen 1600 und 2004 im Bereich der nördlichen Rheinlande. Die Farben der Kreise geben den Zeitraum in dem die Beben sich ereignet haben, die Kreisgröße variiert mit der Stärke. Die vielen kleinen Kreise sind allesamt rot, da Mikrobeben erst seit Einrichtung moderner Meßstationen in den 1970-er Jahren erfaßt werden können.

 

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